Evidence-Based Learning at School

Herausforderungen auf dem Weg zu einer Schule als lernende Organisation

Die Dienststelle des Ministerialbeauftragten für die Realschulen in Oberbayern-West sowie die Schulentwicklungsbehörde Sundsvall  streben die Entwicklung ihrer Schulen hin zu lernenden Organisationen an. Eine lernende Organisation bezeichnet eine anpassungsfähige, auf äußere und innere Faktoren oder Veränderungen reagierende Organisation. Ereignisse (Wiederholer,  Schulabbrecher, Disziplinprobleme etc.) werden als Anregung aufgefasst und für Entwicklungsprozesse genutzt, um die Wissensbasis, daraus resultierende Maßnahmenspektren und Handlungsräume der gesamten Schulgemeinschaft an die neuen Erfordernisse anzupassen.

Aus intensiven Gesprächen innerhalb der Führungsebene des Comenius Regio Projekts (EBL) haben sich folgende Handlungsfelder ergeben.

  • Führung
  • Schulorganisation
  • Schulstruktur
  • Kommunikation
  • Einstellung des Kollegiums
  • Motivation des Kollegiums

Voraussetzung für eine Veränderung der o.g. Handlungsfelder ist eine zeitgemäße Führung (Anleitung) und die Bereitschaft, viel Zeit zu investieren.

Die eigenverantwortliche Schule muss unbedingt eine geleitete Schule sein, das heißt  ihr steht ein verantwortlicher Schulleiter vor und sie verfügt über eine richtig verstandene, hierarchische Ordnung. Die immer wieder aufkeimende Diskussion um eine basisdemokratisch geführte Schule sollte keinen Platz mehr in ernstzunehmenden Gesprächsrunden finden. Sie ist ein rein theoretisches Modell, ein Modell, das mit den Gegebenheiten der Realität nicht zu vereinbaren ist.

Gerade bei der eigenverantwortlichen Schule ist die Organisation für den pädagogischen Erfolg von herausragender Bedeutung. Eine gute Organisation führt niemals zu einer Bürokratisierung der Schule. Überreguliert wird nur da, wo schwache Führungseigenschaften der Schulleitung zu Formalismus, Machtdenken und bremsendem Perfektionismus verlocken.

Eine Schule, die auf dem Weg zu einer lernenden Organisation ist, braucht unbedingt auch eine klare und gut überlegte Struktur. Diese Struktur muss unter anderem auch einen Fortbildunsplan enthalten. Dieser Fortbildungsplan wird gemeinsam vom Kollegium und der Schulleitung aufgestellt. Er ist nicht starr, er ist wie ein lebender, sich verändernder Organismus zu verstehen.

Nachdem im Rahmen einer internen Evaluation festgestellt wurde, wo die Stärken des Kollegiums liegen und wo im und für das Kollegium noch ein Fortbildungsbedarf besteht, wird ein für alle Beteiligten einsehbarer Fortbildungsplan erstellt. Im Rahmen schulinterner Lehrerfortbildungen soll versucht werden, die jeweiligen Fähigkeiten einzelner Kollegen dem ganzen Kollegium näher zu bringen.

Diese Maßnahme wirkt in mehrere der o.g. Handlungsfelder hinein. Die Kommunikation im Kollegium wird verbessert (oder findet überhaupt erst einmal statt), ebenso wird die Motivation selbstverständlich erhöht, sowohl bei denen, die die Hilfe vom Kollegen erhalten, als auch bei den Kollegen, die ihr Wissen den anderen Lehrern zur Verfügung stellen.

Ganz wichtig dabei ist der Prozess der Teambildung im Kollegium. Ein Kollegium, das sich als ein Team sieht, ist offen für neue Gedanken von Mitgliedern der Schule. Das Kollegium, das aus mehreren, sich abgrenzenden Gruppen besteht, wird den Ideen und der Innovationskraft einzelner Lehrer aus den anderen Gruppen immer skeptisch oder gar ablehnend gegenüber stehen.  Deswegen darf sich der Teamgedanke einer Schule nicht nur auf die Schulleitung reduzieren, sondern muss möglichst viele Lehrer einschließen.


Grenzen, die das Schul- und Beamtenrecht setzen

Schul- und Beamtenrecht sind leider noch immer nicht auf die zeitgemäßen Organisations- und Eingriffserfordernisse ausgelegt. Aus dem Grund ist es extrem schwierig bis unmöglich, vereinzelten, sich den neuesten pädagogischen oder didaktischen Erkenntnissen sowie Innovationen der Schulentwicklung  verweigernden Lehrern  zur Einsicht zu verhelfen.

Beim Thema „Leadership“ geht es deswegen auch darum, für Aufgeschlossenheit und einen offenen Geist gegenüber diesen Erkenntnissen zu werben. Dieser Prozess erfordert sehr viel Zeit und Einsatz.

Auch wenn die Schulleitung viel Zeit darin investiert, eine Atmosphäre des offenen Geistes und der Aufgeschlossenheit den neuen Erkenntnissen der Lernforschung gegenüber aufzubringen, wird ein Teil der Lehrer sich aus den verschiedensten Gründen diesen Erkenntnissen verweigern. Dieser Umstand ist grundsätzlich auch nicht von größerer Bedeutung. Es ist jedoch notwendig, dass in einer offenen, klaren Kommunikation dargestellt wird, wie die Schulleitung dazu steht. Eine Schule ist mit einer Autobahn vergleichbar. Eine Autobahn hat mehrere Fahrbahnen. Eine Mindestgeschwindigkeit wird gefordert. Wer langsamer fährt, der bekommt Probleme. Kollegen, die mit dem Mindesteinsatz auf der rechten Fahrbahn unterwegs sind, sind normal und schaden nicht, solange ihr Anteil im Kollegium überschaubar bleibt. Wenn diese Lehrkräfte nun jedoch mit dem Mindesteinsatz auf der linken Fahrbahn all die Lehrer blockieren, die mit mehr Einsatz und mit mehr Leidenschaft ihre Lehrertätigkeit ausüben wollen, muss die Schulleitung eingreifen.

Dieses Eingreifen geschieht idealerweise schon im Vorfeld. Es muss deutlich und klar kommuniziert werden, dass sich nicht jeder Lehrer an der Schulentwicklung aktiv beteiligen muss, eine Störung der Schulentwicklung jedoch nicht hingenommen wird.


Wie können die Erkenntnisse der Lernforschung im Schulbetrieb überprüft werden?

Es ist zu überlegen, wie eine belastbare Überprüfung dieser Methoden vollzogen werden kann. Ist eine Überprüfung im Schulbetrieb überhaupt möglich? Was kann/soll überprüft werden? Wir wissen, wir können die Schülerzahl objektiv prüfen/messen. Was kann noch objektiv gemessen/überprüft werden? Die Zensuren? Sind die denn tatsächlich frei jeder Subjektivität? Kühn und mit Sicherheit falsch ist es, dies zu vermuten. In vielen Gesprächen und Diskussionen wurde von uns versucht,  herauszufinden, welche Indikatoren geeignet sind, das Wirken der „neuen Unterrichtsmethoden“ im täglichen Schulbetrieb einer Prüfung zu unterziehen. Auch mangels Alternativen unserer Kritiker haben wir uns auf folgende Aspekte festgelegt:

  • Arbeitsverhalten
  • Lernverhalten
  • Sozialverhalten
  • Zensuren

Häufig ist ein recht kleiner Teil eines Kollegiums bereit, sich eben diesen neuen Erkenntnissen zu widmen, sie in ihren Unterricht einzubinden. Wenn nun ein Schüler von 30 Unterrichtsstunden in der Woche lediglich in einem kleinen Teil der Unterrichtszeit mit den „anderen“ Unterrichtsmethoden konfrontiert wird, ist es nahezu unmöglich zu überprüfen, ob und wie diese Methoden wirken. Deswegen ist es unabdingbar, für eine Bündelung der Lehrkräfte in einer Klasse zu sorgen. Diese Klasse muss dann über einen möglichst langen Zeitraum mit genau diesen Lehrkräften arbeiten.

Als Vergleichsgruppe dienen Klassen, die nach den üblichen Unterrichtsmethoden beschult werden.  Wissend, dass wir mit uns anvertrauten Schülern und nicht mit „Versuchspersonen“ arbeiten, hat dieses Projekt nichts mit einer wissenschaftlichen Studie, einem breit angelegtem Schulversuch oder Ähnlichem zu tun. Auch der fälschlicherweise von den Kritikern dieses Projekts hineingedeutete, angebliche Anspruch auf eine Allgemeingültigkeit wird von uns abgelehnt. Bei diesem Projekt soll besonders motivierten Lehrkräften die Option gegeben werden, mit einer Schulklasse die eigene Lehrtätigkeit zum Wohl der beteiligten Schüler zu verbessern. Selbstverständlich muss dieser Lehr- und Lernprozess intensiv dokumentiert  und die Ergebnisse dem Kollegium zur Verfügung gestellt werden.  Denn auch wenn wir den Anspruch auf Allgemeingültigkeit nicht pflegen, möchten wir es allen Kollegen ermöglichen, von unseren  Erfahrungen zu profitieren.

Wilfried Krauß, Zweiter Konrektor ZwRSK